Als Pilger der Hoffnung unterwegs zwischen Burgen und Olivenhainen
Unser Spritual Prof. Dr. Martin Lörsch berichtet über seinen Pilgerweg auf der zweiten Etappe auf dem Camino Mozárabe (23.-30.09.2025) von Granada nach Córdoba
1. ÜBERSICHT ÜBER DIE VIERZEHNTÄGIGE SPANIENREISE
– SO 21.09.: Flug Luxemburg nach Málaga; Besuch bei Pastor Brubach in Chilches Costa; dieser ist Gründungsmitglied der SJB und ihr erster Spiritual; mit ihm gab es einen intensiven Austausch über die prägenden Persönlichkeiten des Goldenen Zeitalters der Spanischen Mystik im 16. Jhd. und ihre Bedeutung für Teresa von Ávila, Johannes vom Kreuz und Ignatius von Loyola und bis ins 20./21. Jhd. (z.B. für Edith Stein).
– MO 22.09.: Busfahrt nach Málaga und weiter nach Granada; Einquartieren in der Albergue San Bernardo des Zisterzienserklosters in der Altstadt von Granada, wo ich die Pilgerreise im vergangenen Jahr beendet hatte; herzliche Aufnahme durch die Herbergseltern, ihre dreijährige Tochter und eine zugelaufene Hauskatze; mit mir übernachten in der Herberge Natalja und Ivan, ein russisches Ehepaar, das bis Santiago pilgern will, sowie das deutsch-holländische Pilgerpaar Michael und Jeanette, das in diesem Jahr bis Mérida pilgern will; beide Paare, die in den nächsten acht Tagen im gleichen Rhythmus wie ich pilgern werden; zum Ausklang gibt es ein Nachtgebet mit Pilgersegen in der jeweiligen Muttersprache.
– 1. Pilgertag – DI 23.09.: Granada – Pinos Puente (19,5 km):
Aufbruch in der Dunkelheit, um möglichst lange in der Morgenkühle zu laufen, Begegnung mit der erwachenden Stadt und dem Lärm des Verkehrs; von der Stadtgrenze an folge ich den vertrauten Pilgerzeichen; in Atarfe Frühstückspause, danach laufe ich ca. 6 km auf einem asphaltierten schnurgeraden Weg parallel zur Bahntrasse; in Pinos Puente „Herbergssuche“ – am Ortsrand finde ich die kommunale Herberge mit Maultieren und Hühnern; mit mir gemeinsam treffen das russische Ehepaar ein; es folgen im Laufe des Nachmittags auch Michael und Jeanette sowie Tarek und Diana aus Portugal; beim Einkaufen komme ich mit dem Senior-Chef des Supermarkts ins Gespräch, dieser stellt sich mir als Mitglied der Muttergottes-Bruderschaft des Ortes vor, und es kommt (trotz meiner begrenzten Spanisch-Sprachkompetenz) zu einem geistlichen Austausch; mit den eingekauften Waren (u.a. 5 Brötchen, die mir bis zum Ende der Pilgertour als Notproviant dienen) richte ich mir ein einfaches Abendessen in der Herberge her.


– 2. Pilgertag – MI 24.09.: Pinos Puente – Moclín (15,4 km):
Frühstück im Café am Ort, das bereits kurz nach 7 Uhr gut mit Männern als Besucher gefüllt ist; der Weg führt mich dann durch hügelige Landschaft; einen Zwischenstopp mit Kaffeepause lege ich in Olivares ein; danach geht es mit über 480 m Höhenunterschied steil aufwärts durch eine faszinierende Felsenlandschaft auf der einen sowie Granada mit der Sierra Nevada auf der anderen Seite. In Moclín erwartet mich eine gepflegte Pilgerherberge mit einem eigenen Zimmer; am frühen Abend treffe ich Michael und Jeanette sowie einen neuen Pilger, den Belgier André, in der Bar und bei einem Glas Bier; dann verabreden wir uns zum gemeinsamen Kochen und Abendessen in der Herberge.
– 3. Pilgertag – DO 25.09.: Moclín – Alcalá la Real (22,8 km):
Von Moclin aus geht es zunächst auf einem rutschigen Feldweg wieder bergab, immer mehr bleibt die Felsenlandschaft hinter mir zurück; der Weg führt von nun an weitgehend durch Olivenhaine, zunächst noch von Spargel- und Getreidefelder unterbrochen; am Ortseingang von Cequia laden Michael und Jeannette mich zum Frühstück im Café ein und der Wirt beschenkt uns Pilger mit frischen Trauben, die er vom Weinstock über uns auf der Terrasse abschneidet; Fortsetzung des Pilgerweges mit den beiden; bei der Ankunft in Alcalá la Real Einquartieren im Hostal Rio de Oro und gemeinsames Abendessen in einer Pizzeria (das Restaurant öffnet erst um 21:00 Uhr).
– 4. Pilgertag – FR 26.09.: Alcalá la Real – Alcaudete (23,1 km);
Ein etwas mühsamer Start beim Suchen des weiteren Weges aus der Stadt heraus; heute kommt mir das junge Pilgerpaar aus Portugal in den Blick, das bereits seit Pinos Puente in unserer „Kohorte“ unterwegs ist; sie trägt (demonstrativ anlässlich der Rede von Benjamin Netanjahu vor der Vollversammlung der UNO in New York an diesem Tag?) einen Palästinenser-Schal. Soweit man die hügelige Landschaft schauen kann, sieht man unendlich weite Olivenplantagen. Auf halber Strecke (ca. 12 km) treffe ich in Ventas de Carrizal meine Mitpilger; hier komme ich endlich zu meinem Frühstück. Dann geht es weiter nach Alcaudete. Am Ortseingang begrüßt mich eine Marienwallfahrtskirche und davor ein Brunnen mit erfrischendem Wasser; nach dem Einchecken im Hostal und einer kleinen Erholungspause gehe ich auf Entdeckungstour hinauf zum Castillo Calatrevo und zur Kirche Sancta Maria la Mayor; dort wird gerade die mannsgroße Marienfigur für die Prozession am Wochenende „schön gemacht“ (weil noch der Schleier fehlt, darf ich die Muttergottes nicht fotografieren!); in Erinnerung das leckere Abendessen in der Casa Rata: auf Empfehlung von Pastor Brubach wähle ich (zum Erstaunen der Kellnerin) „Rabo de Toro“ (Ochsenschwanz) als Menü; André gesellt sich zufällig (oder als Kenner und Genießer, denn er ist diesen Weg bereits vor 7 Jahren gepilgert) zu mir und bestellt sich ebenfalls ein Abendessen; wir kommen gut ins Gespräch…
– 5. Pilgertag – SA 27.09.: Alcaudete – Baena (26,1 km);
Aufbruch und Frühstück in einer Bar; stadtauswärts führt ein Feldweg an einem großen Solarfeld entlang und dann durch Olivenhaine – soweit das Auge schauen kann; Pause an einem Rastplatz mit André, Michael und Jeanette; dann gehe ich alleine weiter, doch der Weg zieht sich und Müdigkeit stellt sich ein, ein großer Industriebetrieb am Weg kündigt bereits die Stadt an; dann geht es auf schattenlosem Weg aufwärts in die Stadt Baena und dort noch mal hoch zum Castell und zur Kirche Santa Maria la Mayor, eine ehemalige Moschee, beide überragen die Stadt; ganz in der Nähe finde ich meine Pilgerherberge „Albergue Ruta de Califato“ und quartiere mich ein; mit mir im Zimmer übernachtet Henrike, ein jüngerer Pilger (und Poet) aus Málaga. Am Nachmittag bummle ich durch die Stadt und sehe vor einem Restaurant eine Gruppe junger Männer, die mit Mädchen im Gespräch sind. Am Abend besuche ich in der Kirche Guadeloupe die Vorabendmesse und genieße danach ein leckeres Abendessen (Tintenfisch).
– 6. Pilgertag – SO 28.09.: Baena – Castro del Rio (20,5 km);
Mit Henrike breche ich gemeinsam auf und finde am Ortsausgang ein Café für das gemeinsame Frühstück; Gespräch mit dem Mitpilger „über Gott und die Welt“; für mich wird es ein Sonntagsspaziergang mit einem kleinen Regenschauer und einem tollen Regenbogen; Henrike drängt zum schnelleren Gehen, wir trennen uns und ich pilgere alleine weiter; am Mittag treffe ich in Castro del Rio ein und suche die kommunale Herberge auf; erstmals checke ich mich mit einen QR-Code ein; Erkundung der Burg; die Suche nach einem Restaurant für das Abendessen gestaltet sich mühsam; schließlich findet sich eine Bar, die geöffnet ist und wo ich gegen 21:00 Uhr ein einfaches Abendessen einnehmen kann.
– 7. Pilgertag – MO 29.09.: Castro del Rio – Santa Cruz (23,4 km);
Aufbruch auf regennasser Straße aus Castro del Rio hinaus – ich kann kein Café finden und laufe nüchtern los, etwas desorientiert folge ich der Pilgerroute, die auf direktem Weg nach Córdoba führt – zunächst noch auf Teerstraßen, dann auf Feldwegen, die durch den Regen aufgeweicht sind; der Lehm klebt mir an den Schuhen und macht das Pilgern mühsam und anstrengend; die letzten 6 km nach Santa Cruz folge ein dann wieder einer kleinen Straße; im Straßendorf quartiere ich mich (auf Empfehlung von Prof. Voth) im Hostal La Bartola ein; eine gute Wahl: ruhiges Quartier, trotz seiner Lage unmittelbar neben der Nationalstraße und mit freundlicher Bedienung; nach mir trifft dort auch André ein; nach Tagen treffen wir wieder Michael und Jeanette an (sie mussten zwischendurch einen Ruhetag einlegen); gemeinsames Abendessen mit André.
– 8. Pilgertag – DI 30.09.: Santa Cruz – Córdoba (23,4 km);
Gemeinsames Frühstück mit André, dann verabschieden wir uns, ihn drängt es, möglichst bald in Cordoba anzukommen; der Weg führt aus dem Ort heraus wieder auf der Teerstraße, dann geht es auf einem Feldweg weiter (Gott sei Dank ist er über Nacht soweit abgetrocknet, dass er gut zu passieren ist); die Olivenplantagen treten an diesem Tag bereits zurück, weite Getreidefelder, nach der Ernte zum Teil bereits umgepflügt, prägen jetzt immer mehr die leicht hügelige Landschaft; dann über den Stoppelfeldern der erste Blick auf Córdoba in der Ferne, dann sind es noch fast 2 Stunden zur Stadtgrenze; doch die ersten Bilder sind abstoßend: auf beiden Seiten des Pilgerweges Müll! – Versöhnt werde ich beim Eintritt in die Stadt: ich treffe auf eine Bar, die sich ausdrücklich um Jakobspilger kümmert; hier erhalte neben Sprudel und Kaffee den ersten Stempel von Cordoba; dann geht es weiter in Richtung Zentrum; an der Fußgängerbrücke komme ich mit den Touristenströmen in Kontakt; sie werden mich bis zum Abschied begleiten; Einchecken im Hostal Alzár, das zentral im Stadtbezirk San Basilio liegt; herzliche Begrüßung durch den Hausherrn und Empfehlung für das Abendessen im benachbarten Restaurant Maison Basilio in der C. de San Basilio 19; dann Bummeln durch die nächtliche Stadt …
– MI 01.10.: Ausklingen, Kultur und Abschied in Córdoba;
Diesen Tag widme ich der Stadt und seinen Kulturschätzen; am frühen Morgen Aufbruch zur Mezquita-Catedral de Córdoba und Einreihen in der Schlange für die Öffnung um 08:30 Uhr; der Raumeindruck ist überwältigend; ich suche einen ruhigen Platz für das Gebet und melde mich dann als Konzelebrant für das Kapitelsamt an; um 09:30 Uhr feiere ich mit dem Domkapitel die Eucharistie – im Gedenken an zwei Verstorbene aus meiner Verwandtschaft und dem Freundeskreis, für die an diesem ersten Oktobertag das Sterbeamt und die Trauerfeier stattfinden wird.

– DO 02.10.: Bahnfahrt Cordoba – Madrid;
Fahrt nach Madrid, Besuch des Museums Reina Sofía und Begegnung mit der neuen Pilgerherberge des Convento de las Comendadoras de Santiago an der Plaza de las Comendadoras im Zentrum von Madrid. Diese Herberge ist auf Initiative unserer Freunde in Astorga und mit finanzieller Unterstützung mehrerer Jakobusgesellschaften errichtet worden. Seit April 2025 wird sie durch ehrenamtliche Hospitaleros/Hospitaleras betrieben. In dieser Herberge habe ich die letzte Nacht auf meiner Spanienreise verbracht.
– FR 03.10.: Zu Fuß zur Plaza de España, dann mit der Metro zum Flughafen und Rückflug nach Frankfurt; Geburtstagsbesuch bei meinem Bruder;
– SA 04.10.: Ankunft in Trier
2. EINE ERSTE BILANZ MEINER PILGERREISE:
Wenn ich auf die zwei Wochen zurückschaue, entdecke ich Unterschiede und Gemeinsamkeiten zur ersten Etappe auf dem Camino Mozárabe Almería > Granada im Oktober 2024:

– In den zwei Jahren bin ich durch recht unterschiedliche Landschaft gepilgert. Von 2024 habe ich v.a. zwei ausgetrocknete Flüsse hinter Almería im Gedächtnis, durch die der Weg mich geführt hat. Dann folgt – auf der Nordseite der Sierra Nevada – eine wüstenähnliche Landschaft. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Umgebung von La Calahorra (wo mehrere Western-Filme gedreht worden sind). Dagegen bin ich in diesem Jahr tagelang über Straßen und auf Feldwegen gepilgert, die durch riesige Olivenplantagen führten. Das kommt nicht von ungefähr, denn der mittlere Wegabschnitt zwischen Granada und Cordoba liegt in der Provinz Jaén, dem größten Oliven-Anbaugebiet Europas.
– Ein weiterer Unterschied: In diesem Jahr war meistens ein Ort mit einer Burg an ihrem höchsten Punkt das Tagesziel, umgeben von Wehrtürmen und einem Befestigungsring, die an Eroberungskriege und schlimme Kämpfe zwischen Mauren und Christen (Reconquista) erinnern – meist flankiert von einer Kirche, die aus einer Moschee hervorgegangen war.
– Außerdem: Gegenüber dem letzten Jahr habe ich unterwegs weniger kommunale Pilgerherbergen, dafür mehr komfortablere und etwas teurere Hostals – vor allem in den Städtchen – angetroffen.
– Während ich im vergangenen Jahr weitgehend alleine gepilgert bin und auch in den Herbergen alleine genächtigt habe, bin ich in diesem Jahr in einer internationalen „Kohorte“ gepilgert: gemeinsam unterwegs mit Ivan und Natalja aus Russland, Tarek und Diana aus Portugal, Michael und Jeanette aus Deutschland sowie André aus Belgien. Sie bleiben mir in guter Erinnerung.
– Das Verbindende des Pilgerns in beiden Jahren ist der Camino Mozárabe selbst mit einer weit zurückreichenden Geschichte dieser einzigartigen Region Andalusien, in der Christen über Jahrhunderte gegenüber der muslimischen Mehrheitsgesellschaft in der Minderheit waren, eine Landschaft mit Kulturschätzen, die zum Weltkulturerbe zählen und nicht zuletzt die Bewohner mit ihrer Gastfreundschaft. In beiden Jahren habe ich mich von der „Pilger-Spiritualität“ des Heiligen Ignatius Inspirieren lassen. Dazu hatte ich jeweils ein (einziges) Buch in den Rucksack gepackt. 2024: Michael Hainz, Pilgern. Hineinlaufen in Gottes Gegenwart; 2025: Christian M. Rutishauser, Freiheit kommt von innen. In der Lebensschule der Jesuiten. Beide Autoren gehören dem Jesuitenorden an und sind leidenschaftliche Pilger. Michael Hainz ist ausgebildeter Pilgerbegleiter. Der Judaist Christian M. Rutishauser ist 2011 in sieben Monaten zu Fuß von der Schweiz nach Jerusalem gepilgert.
– Nicht zuletzt habe ich in beiden Jahren das Unterwegs-sein als stellvertretendes Pilgern verstanden: für Geschwister und ihre Familien, Patenkinder und Verwandte, Freunde und Kollegen in den unterschiedlichen beruflichen Bezügen, für Kranke und Verstorbene, vor allem an die jüngst Verstorbenen, eine Cousine und der Schwager eines Freundes, an die ich in der Messe in der Kathedrale von Córdoba gedacht habe …
Am Ende des Pilgerweges verspüre ich eine tiefe Dankbarkeit: zum einen, dass mir diese bereichernden Erfahrungen der Begegnungen, Gastfreundschaft, Kultur und Natur geschenkt worden sind; zum anderen, dass meine Füße und mein Körper mich auch in diesem Jahr ans Ziel getragen haben. Nun richtet sich mein Blick bereits auf das kommende Jahr 2026. Gerne möchte ich dann den letzten Abschnitt des Camino Mozárabe bis Mérida laufen. Mal schauen…
alle Fotos: Copyright Martin Lörsch


















