Astorga-Reise: Gastfreundschaft und Dank

Das „Cruz de Ferro“ ist die vielleicht berührendste Station am Camino de Frances, dem Jakobsweg von Frankreich über die Pyrenäen nach Santiago de Compostela: Am Fuß des Eisenkreuzes liegt Stein auf Stein, viele davon beschriftet mit Botschaften, Namen, Zeichen. „Make love, not war“ – ein Spruch mit besonderer Aktualität. An den Pfosten des Kreuzes haben Pilger Fotos gepinnt, Bilder von Angehörigen, Traueranzeigen, kurze Briefe und sogar, nicht zu übersehen, einen Baby Strampler angeheftet… Am „Cruz de Ferro“ lässt sich erahnen, warum Menschen den Jakobsweg gehen, welche Anliegen sie „unter die Füße bringen“, was sie im wörtlichen und übertragenen Sinne „be-wegt“: Sie sind auf der Suche. Ihre Botschaften und Wünsche sind Ausdruck davon.

Das „Cruz de Ferro“ passieren die Pilger auf dem Teilstück von Astorga nach Ponferrada, etwa 60 Kilometer oder drei Tagesetappen. Sie gehen alleine, zu zweit, in kleinen Gruppen, manche mit schweren Rucksäcken, andere mit leichtem Gepäck, alle mit Sonnenhüten oder Mützen, immer der gut sichtbaren blau-gelben Ausschilderung mit der Jakobsmuschel nach. Auf der Passhöhe am Kreuz gibt es kaum Schatten, und es geht schon morgens auf die 30-Grad-Marke zu.

Wenige Kilometer zuvor, in der kleinen Pilgerherberge von Foncebadón, einer ehemaligen Kirche, sind wir gegen elf Uhr morgens mit dem ersten Pilger in Kontakt gekommen. Schon um sechs Uhr früh war er in Astorga aufgebrochen. In der Herberge reicht ihm die Hospitalera, welche die Unterkunft betreut, ein Glas frisches, kaltes Wasser zur Begrüßung: ein einfacher, freundlicher Willkommensgruß. Was mag der Pilger nun wohl mit dem Rest seines Tages tun? Außer ein paar schattigen Bars gibt es hier nicht viel. Zeit zur Besinnung!

Ehrenurkunde für Juan Carlos

In Astorga unterhält die „Asociacion de Amigos del Camino de Santiago Astorga y su Comarca“ die öffentliche Pilgerherberge. Seit mehr als dreizehn Jahren pflegt die St. Jakobusbruderschaft Trier eine Partnerschaft zu Astorga, die mit dem Besuch einer sieben-köpfigen Delegation aus Trier vom 16. bis 19. Juni 2025 einen neuen Höhepunkt fand. Brudermeister Dr. Hubert Schnabel und Spiritual Professor Dr. Martin Lörsch überreichten dem Vorsitzenden der Partnerorganisation, Juan Carlos Pérez Cabezas, die Urkunde zum Ehrenmitglied der Trierer Jakobusbruderschaft und ein Buchgeschenk. Pérez Cabezas wurde vor allem für sein großes Engagement für die Pilgerbewegung in Spanien ausgezeichnet. So ermöglichte er während der Corona-Pandemie durch eigene Hygienekonzepte, dass einige Pilgerherbergen entlang des Jakobsweges in Nordspanien trotz der Einschränkungen für Pilger offen blieben. Gemeinsam berieten die für die Jakobswege Engagierten aus Trier und Astorga über mögliche Zukunftsprojekte und eine Stärkung des Pilgergedankens (siehe Info).

Hubert Schnabel (links) und Ehrenmitglied Juan Carlos Perez Cabezas.

Mausoleum wird zur Herberge

Für die Trierer standen unter anderem Besichtigungen von Herbergen auf dem Programm. Überall wurde die Gruppe sehr herzlich empfangen. Ein Blick in die sauber gepflegten Schafsäle, die kleinen Küchen und Gemeinschaftsräume belegte das Bemühen, erschöpften Pilgern eine wohnliche Übernachtung anzubieten. Ohne Freiwillige, die „Hospitaleros“ und „Hospaleras“, würde das weitverzweigte System der Gastfreundschaft auf den Jakobus-Pilgerwegen jedoch nicht funktionieren. Es sind Ehrenamtliche, junge und ältere Frauen und Männern aus aller Welt, sogar aus China, die für eine bestimmte Zeit in den Herbergen die Pilger im wahrsten Sinne des Wortes „in Empfang nehmen“, das heißt: sie freundlich aufnehmen, ihre Daten ins Pilgerbuch eintragen, Pilgerausweise stempeln, Essensmöglichkeiten erklären, WLAN-Passwörter nennen, sie zum Schlafplatz begleiten, kurz, bei allen Anliegen behilflich sind. Auch das Sauberhalten der Herberge gehört zu ihren Aufgaben. Das kann in größeren Herbergen wie in Ponferrada, wo nur während der Woche zwei Frauen hauptamtlich putzen, schon harte Arbeit sein.

Die Herberge in Ponferrada „San Nicolás de Flüe“ mit 140 Betten beeindruckt durch ihre Geschichte und ihr Flair. Die heutige Herberge war früher ein Mausoleum des benachbarten, heute überwucherten verlassenen Friedhofs. Die Mehrzahl der Pilger dürfte dies nicht wissen und daher trotzdem gut schlafen in sauberen und recht komfortablen Sälen und Zimmern oder sich über die Waschmaschinen, Kühlschränke, diverse Küchenutensilien oder eine herrliche, laubüberdachte Terrasse direkt vor der Tür freuen. Spirituelle Einkehr ist in der Kapelle des Hauses möglich, die der Gottesmutter geweiht ist und wo regelmäßig von der betreuenden Pfarrei Gottesdienste angeboten werden.

Anrührende Begegnung

Die Stadt Ponferrada bietet so einiges, nicht nur an Restaurants oder Bars, sondern lohnt auch eine Besichtigung. Es gibt zum Beispiel eine trutzige Templerfestung und die Basilika „Nuestra Señora de la Encina“. Der Legende nach soll die geschnitzte Marienfigur von Toribio, Bischof von Astorga, aus dem Heiligen Land mitgebracht und dann später vor den Mauren versteckt worden sein. Jahrhunderte danach fanden Tempelritter diese in einer Steineiche (encina). Für unser Mitglied des Bruderrates, Wolfgang Wilke, bot der Besuch in Ponferrada noch eine besondere Überraschung: Er war vor Jahren selbst viele Male dort als „Hospitalero“ tätig. Seither pflegt er viele Freundschaften mit Menschen aus dieser Zeit. Zu seiner großen Freude waren Carmen und Carlos zur Basilika gekommen, um ihn wiederzusehen, ihn herzlich zu begrüßen und Erinnerungen aufleben zu lassen.

Bischofspalast: ein Gaudi

Natürlich konnte die Trierer Delegation in diesen vier Tagen nur einen kleinen Ausschnitt aus der Geschichte von Astorga und der Region erleben. Wie spannend Astorgas Gesichte ist, zeigte ein Rundgang auf der „Römerroute“. Nicht ganz so alt wie Trier, geht Astorga auf das Jahr 17. V. Chr. zurück. In der Römerzeit entwickelte es sich als strategisch wichtiger Knotenpunkt für einige Jahrhunderte zum wichtigsten Verwaltungszentrum im Nordwesten der Iberischen Halbinsel. Überreste der Thermen, der doppelten Befestigungsmaurer, des Forums und sogar der Kloake versetzen die Besucher in diese Zeit. Sehr beeindruckend ist die Kathedrale Santa Maria aus dem 15. Jahrhundert. Sie ist die Kirche der Diözese Astorga, eine der größten Spaniens, und bietet ein reiches kunsthistorisches Spektrum. Wie aus einer Fantasiewelt wirkt der daneben stehende neogotische Bischofspalast von Antoni Gaudí, begonnen 1889 und 1913 nach zwanzigjähriger Unterbrechung von Ricardo García Guereta vollendet. Er beherbergt heute das Museo de los Caminos (Museum des Jakobswegs).

Gemeindemitglieder legen Mosaike

Direkt am Pilgerweg, etwas außerhalb des Zentrums, steht die ganz aus Mosaiken bestehende Kirche San Pedro de Recitivia: Der örtliche Pfarrer, Blas Miguelez Vara, führt mit viel Enthusiasmus durch diese moderne Kirche und erzählt ihre Geschichte. Als erste Kirche Astorgas in der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils errichtet, ist ihre Ausstattung eine Art Gemeinschaftsprojekt von Freiwilligen der Pfarrei und symbolisiert dadurch den diakonischen Auftrag der Kirche, mit den Menschen gemeinsam zu wirken. Die Mosaiken an den Außenwänden und auf dem Boden haben Frauen und Männer der Gemeinde in jahrelanger Handarbeit selbst angefertigt – ein Blick in die Werkstatt gleich gegenüber zeigt, wie das geht: Kleine Marmorsteinchen, Schleif- und Schneidwerkzeuge, Stifte, Klebemasse und kleine Pinzetten, alles ist bereit, um in akribischer Arbeit die Mosaiken zu legen oder auszubessern. 

Die vielen herzlichen Begegnungen, die gute Basis der Partnerschaft und des gemeinsamen Einsatzes für die Jakobuswege und die Pilger und die vielen Eindrücke aus Geschichte und Landschaft werden noch lange nachwirken! Zugleich sind bereits Ideen für das übernächste Jahr 2027 ausgetauscht worden: Denn dann fällt das Fest des Heiligen Jakobus (25.07.) wieder auf einen Sonntag als Anlass für das Heilige Jahr der Jakobusbewegung.

Info

Jakobswege – Tradition bedroht?

In Spanien setzen sich mehrere Verbände auf regionaler und nationaler Ebene dafür ein, dass die ursprüngliche Bestimmung und das vorrangige Ziel der Wege, nämlich das Pilgern, erhalten bleibt. Aus ihrer Sicht besteht das Problem darin, dass zunehmend kommerzielle Reiseanbieter auf die Wege drängen. Die echten Pilgerherbergen sollten aber aufgrund ihres einzigartigen Charakters besonders geschützt und gefördert werden. Speziell der Camino Frances leidet darunter, dass immer weniger Pilger den strapaziösen, langen Weg quer durch Spanien gehen möchten. Viele wählen inzwischen andere, etwas leichtere Routen wie zum Beispiel den Camino Portugues.

Text und Fotos: Gaby Jacquemoth