Nur ein Weg führt (uns) nach Rom

Pilgern auf dem Franziskusweg – Teil 2, Rieti-Rom

25.05. – 02.06.2019

(Günter Willenborg) Im Mai 2019 setzen die Pilgerinnen und Pilger der Jakobusbruderschaft Trier unter der spirituellen Leitung von Herrn Dr. Markus Nicolay ihre im Jahre 2018 begonnene Pilgerwallfahrt auf dem Franziskusweg fort und beenden diese beseelt an den Gräbern der beiden Apostelfürsten Peter und Paul.

Das Lebensmittel Wasser war dem Hl. Franziskus von Assisi sehr wichtig und soll einleitend besonders hervorgehoben werden. Wasser ist ein Lebenselixier, und wir brauchen reichlich davon, insbesondere auf langen bergigen Pilgerpfaden. Wir kommen aus dem Wasser und wurden in der Taufe aus dem Wasser neu geboren. Wasser ist der Betriebsstoff unseres Lebens, ohne Wasser geht nichts. Es wird uns gegeben, es ist uns geschenkt, es ist fast immer da. Es ist so selbstverständlich, dass wir wenig darüber nachdenken.

Gelobt seist Du, Herr, durch Schwester Quelle:

Wie ist sie nütze in ihrer Demut, wie köstlich und keusch!

Jeder kennt die Passage aus dem Sonnengesang, an die wir uns gerne erinnern. Wasser, das rein aus der Gebirgsquelle springt oder klar vom Himmel fällt. Wir sind uns dessen noch nicht bewusst, aber das Wasser wird uns über den gesamten Weg begleiten.

Los geht´s am Sonntag, den 26. Mai. Der Tag beginnt mit einem ausführlichen Morgengebet. Es werden persönliche Fürbitten vorgetragen und nach dem Pilgergebet erteilt Markus jedem den persönlichen Pilgersegen:

Auf die Fürsprache der Apostel Petrus und Paulus, des Hl. Jakobus und des Hl. Franziskus segne und behüte dich der Allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Zur Mittagszeit setzt Regen ein, doch er kann uns nichts anhaben. Wir sitzen im Heuschober auf den pyramidenförmig aufgeschichteten Heuballen. Von oben ist es trocken, von unten her warm und zum Nachbarn hin kuschelig. Was will man mehr? Selten ist uns ein Imbiss so gut bekommen. Den Tag beenden wir mit der Sonntagsmesse im Frühstücksraum der Unterkunft.

Die ersten Tage bringen viel Niederschlag und es ist immer wieder recht kühl, abwechselnd mit schwülen Tageszeiten. Dann scheint auch mal die Sonne und schnell wird es warm. So richtiges Tiefdruckwetter mit immer wiederkehrenden erfrischenden Schauern setzt uns zu. Anstrengender ist der Matsch aus schlammigem Lehm, der an den Schuhen kleben bleibt und die Hosen verschmiert. Aufregend ist die Bewältigung der Lehmpassagen mit eigentlich nicht vorgesehenen gymnastischen Einlagen. Aber alle schaffen auch die schwierigsten Passagen, selbst wenn es mal querfeldein geht. Niemand muss aus einem Schlammloch gerettet werden. Dennoch ist wiederholte Reinigung angesagt – am nassen Gras und den reich vorhandenen Rinnsalen. Man möchte doch nicht völlig verschmutzt im Quartier ankommen.

Wir gehen durch Feld und Wiesen, Wald und Olivenhainen, vorbei an den wenigen Häusern, die gleich von mehreren Hunden lautstark und ausdauernd verteidigt werden. Es ist Frühsommer, die Landschaft noch grün und die Pflanzen stehen kräftig im Saft. Der Feigenkaktus entfaltet seine gelben Blüten und leuchtende Mohnfelder schwelgen in sattem Rot. Es gibt allerlei neue Kräuter und Pflanzen zu entdecken, die unsere Spezialistinnen auf den Plan rufen. Passionsblumen blühen am Wegesrand, Mispeln und Maulbeeren beginnen zu reifen. Die Kirschen locken bereits in roter Pracht und so mancher ist versucht zu kosten. Der Weg ist variantenreich, vom Gänsepfad, über Gras- und Waldwege, über kaum passierbare Schlammpfützen, über Schotter und auch reichlich über geteerte Passagen. Nicht zu vergessen die schweißtreibenden kräftigen Anstiege. Aber der Pilger kennt seine Wege und lässt sich nicht aufhalten.

Das Tau-Kreuz geht uns voran und zeigt uns den Pilgerpfad durch die Provinz Latium. Es ist ein uraltes Symbol und lässt sich schon in frühesten steinzeitlichen Steinritzungen und Malereien nachweisen. In der Mythologie des alten Orients symbolisiert es die Vollendung. Das Tau ist der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabets und entspricht dem heutigen T. Es wurde das Symbol des Antoniterordens, der sich vorwiegend der Krankenpflege angenommen hat. Und Franz von Assisi hat dieses Kreuz übernommen, so dass es auch ein Symbol der Franziskaner wurde. Franziskus sah es als Segenszeichen an, als Zeichen der Demut und Erlösung und hat mit diesem Kreuz unterzeichnet. Es ist auch als Antonius- oder Ägyptisches Kreuz bekannt. Mönche gaben es den Pilgern mit auf den Weg, auf das es sie vor Krankheit und Unheil bewahre. So wurde es zum Cruz del Peregrino und wird noch heute von den Pilgern gern entgegengenommen. Unser Tau-Kreuz hat Helmut in bewährter Weise vorbereitet und ausgemalt. Ihm gebühren besonderer Dank und Anerkennung. Jeder hat das Symbol stolz an seinem Rucksack nach Rom getragen.

Doch wir sind nicht nur auf dem Franziskusweg unterwegs, wir pilgern auch auf der Via Francigena. Es ist der uralte Pilgerweg von Canterbury nach Rom, der neben dem Camino Frances nach Santiago und dem Pilgerweg nach Jerusalem zu den drei großen Pilgerzielen der Christenheit gehört. Und noch einen Pilgerweg tangieren wir. Es ist der junge, erst im Jahre 2010 entstandene Benediktweg. Unter dem Schutz von Peter und Paul, Franziskus und Benedikt fühlen wir uns wohl behütet.

Es ist der 28. Mai, ein unvergesslicher Tag. Heute ist Bergfest, die ersten 60 Kilometer sind geschafft und werden zur Mittagsrast auf der Piazza Communale des Städtchens Montelibretti angemessen gefeiert. Sylvia, die temperamentvolle Wirtin der „Il Mio Bar“ heizt die Stimmung mächtig an und kaum gesehen, sitzen drei unserer gestandenen Weibsbilder aufgereiht im Olivenbaum. Was die Damen antreibt, ist nicht offenbar geworden und sollte psychologisch untersucht werden. Ist es das unbeschwerte Treiben der Kindheit, das erinnert und noch einmal ausgelebt wird? Oder ist es das Flehen um Wetterbesserung oder der erste Hinweis in diesem Sinne? Wenn Frauen auf Bäume steigen, kann der Sonnenschein nicht weit sein.

Unsere Unterkünfte haben einen guten Standard, das Frühstück ist italienisch, aber das Abendmenü dafür umso reichlicher, üppiger und von erlesenen Zutaten. Um unser Gepäck haben wir uns wenig gekümmert. Es wurde von unserem Busfahrer Mario zum Quartier gebracht. Hier und da fiel schon mal das Wort „Luxuspilgern“. Doch so schlimm war es gar nicht. Für den täglichen Bedarf und insbesondere für das Regenzeug reichte der Tagesrucksack. Nicht zu vergessen der Mittagsimbiss für die gesamte Mannschaft! Wasser, Brot, Schinken, die geliebte Mortadella, Käse, Möhren, Bananen, Äpfel, Melonen, Gebäck und Süßigkeiten für den Nachtisch und natürlich eine gute Flasche Rotwein mussten getragen werden. Die Tagesetappen waren recht einsam, kaum eine Ortschaft, nur einzelne Häuser und wenig Menschen unterwegs. Kurz vor Rom habe ich das nicht erwartet.

Nach mehreren Tagen ländlicher Idylle erreichen wir an Christi Himmelfahrt Rom, das Zentrum der Christenheit mit den Gräbern der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus. Der Tag war lang und anstrengend. Die längste Tagesetappe von mehr als dreißig Kilometern war zu bewältigen, davon 15 Kilometer über das harte Straßenpflaster der lärmenden Stadt. Doch nun sind wir angekommen im Gewitterregen, aber das stört Wetter niemanden. Wir klatschen einander ab und liegen uns beim Anblick der St. Peter Basilika glücklich und überwältigt in den Armen. Das „Te Deum“ wird angestimmt und mächtig erschallt es über den Petersplatz. Es schlägt 17.30 Uhr, die Kirchenglocken läuten, der Regen endet und zaghaft winkt über St. Peter der erste Sonnenschimmer durch die Wolken. Besseres Wetter lässt sich erahnen. Und am Abend leuchten über dem Vatikan die Strahlen der untergehenden Abendsonne. Derartige Ovationen haben wir gar nicht erwartet.

Wir beziehen unser Quartier in der Casa Preziosissimo Sangue unweit des Petersdomes. Es ist ein Ordenshaus mit einer schön gestalteten Hauskapelle. Und das festliche Abendmenü ist schon in der benachbarten Casa Bonus Pastor bereitet. Doch zunächst begeben wir uns in die Kapelle unseres Gästehauses und feiern die Hl. Messe. Wir danken Gott für die gelungene Pilgerwallfahrt der Jahre 2018 und 2019, für die glückliche Ankunft in Rom und für die schöne Zeit, die wir ohne schwere Krankheit, Unfall und Streit erleben durften.

Die Wände unserer Kapelle sind mit Mosaiken geschmückt, die die Emmaus-Erzählung darstellen. „Lukas berichtet, Kleopas und ein weiterer Jünger seien am Tag nach Pessach in niedergeschlagener Stimmung von Jerusalem nach Emmaus gegangen und dabei dem auferstandenen Jesus begegnet, ohne ihn jedoch zu erkennen. Der unbekannte Begleiter habe ihnen im Gespräch die Schrift ausgelegt und erklärt, das Leiden des Messias sei gemäß den Verheißungen der Propheten notwendig gewesen. In Emmaus angekommen, luden sie den Reisebegleiter ein, die Nacht über bei ihnen zu bleiben. Beim Abendmahl, als er das Brot brach, hätten sie in ihm den auferstandenen Jesus erkannt, der gleich darauf entschwand. Daraufhin seien sie noch am selben Abend nach Jerusalem zurückgelaufen, um den Aposteln und den anderen Jüngern von der Begegnung zu berichten (Lk 24,13–35).“ Kann es einen schöneren Ort, eine ausdruckstärkere Textstelle für unseren Dankgottesdienst geben? Ich glaube nicht.

Der Freitagmorgen erstrahlt in hellem Blau über St. Peter. Nach dem vielen Regen ist die Luft klar und von herrlicher Fernsicht. Leuchtend weiß schauen die zwölf Apostel von der Fassade zu uns herunter. Wir feiern bereits um 7.00 Uhr in der Frühe die Heilige Messe nahe dem Petrusgrab in der Krypta der Basilika. Und in der Sakristei erhalten wir anschließend den letzten Stempel für unseren Pilgerausweis und als Anerkennung die Pilgerurkunde. Wir sind endgültig angekommen und überglücklich. Der weitere Tag steht zur freien Verfügung, sei es am Trevi- Brunnen, auf den Spanischen Treppen oder in Roms berühmtester Gelateria Giolitti.

Sieben Kirchen musst du sehen, willst du deine Romwallfahrt spirituell ordentlich abschließen. So beginnen wir am Samstag unsere Sieben-Kirchen-Wallfahrt zeitig am Petersdom, beim Grab des Apostelfürsten. Aber schon nach den ersten Kilometern schweifen wir ab zur achten Kirche und besuchen das Grab Benedikt Labres in der Chiesa di Santa Maria ai Monti. Benedikt Labre war Mystiker und Pilger. Er war sein gesamtes Leben in Europa unterwegs und ist schließlich vor der genannten Kirche gestorben. Die Römer haben den Toten durch die Stadt getragen, ihn vor Ort begraben und per acclamationem zum Heiligen erklärt. Er gilt als der Schutzpatron der Bettler, Obdachlosen und Pilger. Hier schließt sich der Kreis. Das Benedikt Labrehaus in Trier im alten Bahnhof Trier-West bietet unter der Trägerschaft der Caritas den Wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen ein ganzheitliches Hilfsangebot. Wir sind wieder auf dem Weg und erreichen Santa Maria Maggiore. Es ist die größte, prächtigste und älteste Marienkirche Roms. „Maria breit´ den Mantel aus, …“ klingt es kräftig zu Begrüßung der Gottesmutter. Es folgt San Lorenzo fuori le Mura, die von Kaiser Konstantin gestiftet wurde und einem römischen Lieblingsheiligen geweiht ist. San Lorenzo ist Märtyrer und wurde auf einem Rost zu Tode gemartert. Entsprechend wird er mit diesem Attribut dargestellt. Santa Croce in Gerusalemme ist nicht mehr weit. Auch hier tragen wir unsere Fürbitten und Gebete vor. In dieser Kirche werden die Kreuzreliquien aufbewahrt, die von der Hl. Helena aus Jerusalem nach Rom gebracht wurden. Unser nächstes Ziel ist San Giovanni in Laterano. Sie ist die Bischofskirche der Stadt Rom, unter Kaiser Konstantin geründet, Johannes dem Täufer geweiht und das „Haupt und die Mutter aller Kirchen Roms und des Erdkreises“, wie es an der Hauptfassade festgeschrieben steht. Nun wird es ernster, wir besuchen die Quo-Vadis-Kapelle und erreichen San Sebastiano ad catacumbas. Sebastian ist neben Peter und Paul der dritte große Schutzpatron der Stadt Rom. Nicht ohne Grund führt unser Pilgerweg gerade hier vorbei. Hier liegen die unterirdischen Gebetsplätze der frühen Christen und die Gräber vieler Märtyrer. Der abschließende Höhepunkt bildet San Paolo fuori le Mura mit der Paulusstatue und dem gesengten Schwert als Attribut. Die Wahrheit schneidet und scheidet wie das Schwert.

1 San Pietro in Vaticanum                            Die Gabe der Gottesfurcht

2 Santa Maria Maggiore                                Die Gabe der Erkenntnis

3 San Lorenzo fuori le Mura                         Die Gabe des Rates

4 Santa Croce in Gerusalemme                     Die Gabe der Einsicht

5 San Giovanni in Laterano                          Die Gabe der Frömmigkeit

6 San Sebastiano ad catacumbas                   Die Gabe der Weisheit

7 San Paolo fuori le Mura                             Die Gabe der Stärke

Wir befinden uns auf der Sieben-Kirchen-Wallfahrt und auf keiner Touristentour. An den einzelnen Stationen wird zu verschiedenen Themen meditiert, eine Lesung vorgetragen, gebetet und gesungen. Auch das Jakobuslied ist erklungen. Der Pilgerweg wird zu Fuß zurückgelegt und summiert sich auf letztendlich 24 Kilometer. Neben dem intimen christlichen Gemeinschaftserlebnis werden wir in den Kirchen mit einem Pilgerstempel belohnt.

Unsere Pilgerwallfahrt neigt sich dem Ende zu. Zum Ausklang besuchen wir am Sonntag um 10.30 Uhr das lateinische Hochamt in der Apsis der St. Peter Basilika und sagen Markus unseren besonderen Dank für die herausragende Vorbereitung und der gelungenen spirituellen Begleitung. Zum Abschied noch ein wehmütiges italienisches Eis und dann wartet auch schon der Bus für den Transfer zum Flughafen.